Blöder geht’s immer

Wenn man mir auf’s Knie haut, zuckt das Bein nach vorne. Das passiert einfach, ohne dass ich drüber nachdenken muss – ein Reflex eben. Bei Hans-Peter Uhl ist das so ähnlich: Wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert, dann schreit er: „Vorratsdatenspeicherung!“ Auch das ist ein Reflex, der ohne Nachdenken zustande kommt – zumindest ist das noch die für Herrn Uhl schmeichelhafteste Annahme. Die Opfer sind nach den schrecklichen Attentaten in Norwegen noch nicht begraben, da stellt sich dieser sogenannte Innenexperte von der CSU schon vor das nächstbeste Mikrofon und verkündet sinngemäß, dass man solche Attentate ganz prima mit der Vorratsdatenspeicherung verhindern könne, deswegen müsse die jetzt ganz schnell kommen und bis auf diese dusselige Justizministerin würden das ja auch alle einsehen.

Wie bitte?

Entweder Hans-Peter Uhl versteht die Vorratsdatenspeicherung nicht, oder ihm ist jedes noch so geschmacklose Argument recht, diese durchzuboxen. Erstens einmal gibt es in Norwegen seit kurzem die Vorratsdatenspeicherung, trotzdem ist etwas passiert. Zweitens: Wie soll das funktionieren? Bei der Vorratsdatenspeicherung werden, wie ja der Name schon sagt, Daten auf Vorrat gespeichert. Sie kommen also auf einen großen Haufen und werden, wenn es einen konkreten Anlass oder Verdacht gibt, durchforstet. Es werden keine Gesprächsinhalte aufgezeichnet, nur Verbindungsdaten. Wenn der Mann also seine Oma angerufen hätte, um ihr stolz zu erzählen, was er vorhat, dann wüssten wir jetzt, nach der Tat, also, dass er seine Oma angerufen hat. Mehr nicht. Und blöderweise hat der ja nicht einmal seine Oma angerufen oder sonst irgend jemanden, um die Tat anzukündigen (Ganz abgesehen davon, dass die Behörden, wenn sie einmal Verdacht schöpfen, das volle Programm mit Verwanzen der Wohnung, des Autos, des Telefons und wasweißichnochallem durchführen könnten. Vorratsdatenspeicherung? Come on!). Hans-Peter Uhls Vorratsdatenspeicherung müsste also mindestens noch Gehirnströme aufzeichnen und entschlüsseln, damit etwas dabei rumkommt.

Ein zu absurder Vorschlag? Dachte ich auch. Bis ich via lawblog auf Bernhard Witthaut, stieß, seines Zeichens Chef der Gewerkschaft der Polizei. Er möchte Menschen, die auffällige Dinge ins Internet schreiben, “registrieren und identifizieren”, um solche Dinge zu verhindern. Vor Menschen mit so einer Geisteshaltung habe ich mehr Angst als vor jedem Terroristen. Der Attentäter von Norwegen hatte als Ziel, die Gesellschaft zu verändern: Weniger offen, weniger liberal, weniger tolerant und weniger multi-kulturell sollte sie sein. Und während die norwegische Gesellschaft, an der Spitze die höchsten Repräsentanten, in bemerkenswerter Klugheit genau entgegengesetzt reagieren, scheinen Hans-Peter Uhl und Bernhard Witthaut ganz versessen darauf, dem Attentäter diesen Gefallen zu tun.

Da ist es doch schön, wenn man kritische Medien hat, die den Politikern und Polizeifunktionären auf die Finger schauen und vor Hysterie und Überreaktionen warnen. Oder aber sie machen es wie Manfred Schermer von der Politikredaktion der „Fuldaer Zeitung“, der sich nicht zu blöd war, sich folgenden Kommentar aus den Fingern zu saugen (zitiert via Stefan Niggemeier):

Bislang waren die Norweger stolz auf ihre offene Gesellschaft. Die Mitte-Links-Regierung mit Regierungschef Jens Stoltenberg an der Spitze hat im Gegensatz zur Regierung im benachbarten Dänemark auf eine liberale Ausländerpolitik und einen Dialog mit muslimischen Zuwanderern gesetzt. Nun muss sie bitter erfahren, wie ihnen ihre Liberalität gedankt wird. So sympathisch eine offene Gesellschaft ist — sie lässt eben nicht nur ihren gesetzestreuen Mitgliedern, sondern auch Kriminellen und Terroristen Freiheiten, die in etlichen anderen Ländern seit den Anschlägen von New York, London und Madrid teils drastisch eingeschränkt worden sind. Offensichtlich nicht ohne Grund. Diesem feigen Terrorpack mit Großzügigkeit zu begegnen, hieße, ein Feuer mit Benzin löschen zu wollen. Wer diesen Fanatikern versöhnlich kommen will, muss damit rechnen, dass ihm dies als Schwäche ausgelegt und skrupellos ausgenutzt wird.

(Und jetzt ein Tusch für den absoluten geistigen Höhepunkt, Anm. d. Red.:) Der Anschlag auf das Herz des Osloer Regierungsviertels lässt nur einen Schluss zu: Es kann für Europa und auch für Deutschland keine Entwarnung geben. Die Gefahr weiterer Attacken bleibt bestehen – und damit leider auch das Paradoxon, dass wir unsere Freiheit offenbar nur schützen können, indem wir sie beschneiden.

Wir fassen zusammen: Wenn wir die ganzen fiesen Moslems ins Land lassen, sind wir doch selbst schuld, wenn sie uns dann umbringen. Und unsere Freiheit behalten wir am besten, indem wir drauf verzichten. Ich bin mir sicher, Manfred Schermer würde sich mit den Herren Uhl und Witthaut gut verstehen.

Nachtrag: Man hätte auch so reagieren können wie Harald V, König von Norwegen:

„I remain convinced that the belief in freedom is stronger than fear. I remain convinced in the belief of an open (Norwegian) democracy and society. I remain convinced in the belief in our ability to live freely and safely in our own country.“

Aber dazu muss man vermutlich deutlich weiser sein. Oder Norweger.


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Kommentare

6 Antworten zu „Blöder geht’s immer“

  1. Avatar von Hauke
    Hauke

    Kleiner Hinweis:
    Norwegen ist nicht in der EU, hätte also die Schnüffelspeicherung gar nicht einführen müssen. Zudem war das Abstimmungsergebnis denkbar knapp.

    1. Avatar von Sebastian Weßling

      Ups, das stimmt natürlich und wird korrigiert. Ändert aber nichts am Kern des Arguments.

  2. Avatar von Hannes Leitlein

    Ich frag mich auch, wie es immer wieder zu solch hirnrissigen & populistischen Äußerungen kommt, wo sie doch im Laufe der letzten Ereignisse deutlich an Popularität verloren haben?! Uhl und Konsorten sollten doch langsam merken, dass Gandhi cooler ist als Bush …

  3. Avatar von Martin Scott
    Martin Scott

    Guter Text.

  4. […] Alexander Dobrindt oder sein Parteikollege, der sogenannte Innenexperte Hans-Peter Uhl, die sich sonst für keine abwegige Forderung zu schade sind. Liebe Bettina Schausten, lieber Ulrich Deppendorf: Man hätte an der Stelle ja mal nachhaken […]

  5. […] Alexander Dobrindt oder sein Parteikollege, der sogenannte Innenexperte Hans-Peter Uhl, die sich sonst für keine abwegige Forderung zu schade sind. Liebe Bettina Schausten, lieber Ulrich Deppendorf: Man hätte an der Stelle ja mal nachhaken […]

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