Eins vorweg: Ich halte die katholische Kirche in vielem für eine verstaubte, verkrustete, rückwärtsgewandte Institution – Rolle der Frau, Beteiligung der Laien, der ganze alberne Zinnober im Vatikan sind nur einige der Stichwörter, die mir einfallen. Die Kirche hinkt der Moderne in vielem ziemlich hinterher und ich weiß nicht, ob sie je ankommen wird. Und oft ist die Kirche schrecklich unpragmatisch und dogmatisch, wenn es um aktuelle Fragen und die Anpassung an den Zeitgeist geht – siehe Rolle der Frau, Beteiligung der Laien etc.
Und nun gibt es den Fall des mit neun Jahren an einem Hirntumor gestorbenen Jens Pascal, der gerne einen Grabstein mit BVB-Logo gehabt hätte – den die Gemeinde Mariä Heimsuchung in Bodelschwingh auf ihrem Friedhof aber nicht zulassen will. Und schon ist das Geschrei groß über die Intoleranz, Unmenschlichkeit, Unflexibilität und Menschenfeindlichkeit der Kirche. Die Facebook-Gruppe „Jens Pascal“ hat zigtausende Mitglieder und man muss sich nur mal einige Kommentare durchlesen, um festzustellen, dass die Kirche eher schlecht wegkommt.
Aber warum eigentlich? Natürlich habe ich absolutes Mitgefühl mit den Eltern und ihrer schwierigen Situation, aber es gibt eben auch eine andere Seite.
Der Friedhof ist für alle da
Jeder Friedhof hat eine Satzung und an die hat man sich zu halten. Das klingt zunächst nach formaljuristischer Prinzipienreiterei, aber die Regeln darin fallen ja nicht vom Himmel (auch nicht bei einer katholischen Gemeinde), sondern sollen ein vernünftiges Miteinander regeln und einen vernünftigen Interessenausgleich herstellen – nicht so sehr zwischen den Trauernden und der Kirche, sondern vor allem zwischen den Trauernden untereinander. Die Satzung stellt unter anderem sicher, dass kein Trauernder in seiner Trauer gestört wird. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Stein in auffälliger BVB-Optik andere Trauernde stört.
Zumal der geplante Entwurf nicht unbedingt zurückhaltend klingt: ein Granitsockel, auf dem ein Fußball mit 22 Zentimetern Durchmesser liegt, dazu Name, Geburts- und Sterbedaten, das BVB-Logo, der Slogan „Echte Liebe“ – und sonst nichts. Und genau das bemängelt die Kirche laut Ruhrnachrichten, dass allein der Fußball im Mittelpunkt steht und jeglicher Bezug zum Glauben fehlt.
Kirche muss auf christliche Symbolik beharren
Dass nun eine katholische Kirche in ihrer Friedhofsatzung und deren Auslegung Wert auf christliche Symbolik legt, kann doch niemanden ernsthaft überraschen, das ist schließlich der Wesenskern der Kirche. Und vielleicht müssen sich auch die Eltern fragen lassen, ob ihrem Vorgehen nicht die nötige Sensibilität fehlt, nämlich für die Bedürfnisse und Regeln der christlichen Gemeinschaft, auf deren Friedhof sie ihren Sohn beerdigt haben.
Zunächst mal hätte ihnen klar sein können (wenn nicht müssen), dass ein BVB-Grabstein auf einem katholischen Friedhof vielleicht nicht so gut ankommt. Und dann hätte man ja nicht gleich Himmel und Hölle und insbesondere die Medien in Bewegung setzen müssen, sondern hätte gemeinsam mit der Kirche nach einen Kompromiss suchen können, der einen Ausgleich zwischen dem Wunsch des Jungen (BVB-Logo auf Grabstein) und dem Wunsch bzw. der Satzung der Kirche (christliche Symbolik auf Grabstein) herstellt.
Auf die christliche Symbolik nämlich muss die Kirche beharren – sonst könnte sie sich ja gleich auflösen.
Sinnbild für ein generelles Phänomen
Der Streit um den Grabstein steht sinnbildlich für ein generelles Phänomen, dass sich in den vergangenen Jahren beobachten lässt: Immer mehr Menschen wenden sich von der Kirche ab, von der katholischen wie der evangelischen. Sie fühlen sich nicht mehr mit der Kirche verbunden, ihnen fehlt der Glaube, die Gottesdienste langweilen sie oder sie wollen schlicht Kirchensteuer sparen – es gibt viele Gründe. Nur zu bestimmten Anlässen strömen die Menschen in die Kirchen zurück: zu Festen wie Ostern oder Weihnachten und zur Taufe, zur Kommunion/Konfirmation/Firmung, zur Hochzeit und zur Trauerfeier nebst Beerdigung.
Und dann sind sie meist entsetzt, wenn die Kirche es sich erlaubt, Regeln aufzustellen und ihnen Vorschriften zu machen. Wenn der Pfarrer sich schwertut, ein Paar , das offensichtlich nicht gläubig ist, im Namen Gottes zu trauen. Wenn der katholische Priester Bauchschmerzen hat, Geschiedene erneut zu verheiraten. Und wenn eben eine Gemeinde erwartet, dass auf einem Grabstein auf einem christlichen Friedhof auch christliche Symbolik zu sehen ist.
An dieser Stelle ist es eigentlich die Gesellschaft, oder vielmehr ein Teil der Gesellschaft, der intolerant ist: Dieser fordert die „Dienstleistungen“ der Kirchen bei Hochzeit, Taufe oder Beerdigung gleichsam als Grundrecht ein – ist aber nicht bereit, sich auf ihre Grundsätze oder Bedingungen einzulassen.
Update: Kirche und Familie haben sich geeinigt: Der Ball kommt runter vom Grabstein auf eine Grabplatte daneben. Auf dem Stein bleiben Name, Geburts- und Sterbedaten, das BVB-Logo, der Slogan „Echte Liebe“; als christliches Symbol kommt eine Friedenstaube hinzu. Schön, dass man eine Lösung gefunden hat, die alle Seiten zufriedenstellt.
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