Skandal! Skandal! Skandal!

Heißa, da war etwas los in den vergangenen Tagen. Alles begann mit einer Vorabmeldung des Stern, jenem Nachrichtenmagazin also, was eins schon die Hitlertagebücher entdeckt angedreht bekommen hatte.Und jetzt hat man in Hamburg einen ganz heißen Skandal ausgegraben, und zwar rund um den Blog Wir in NRW, der vor der NRW-Wahl 2010 vieles aufdeckte, was der CDU äußerst ungelegen kam und seinen Teil dazu beitrug, dass die CDU bei der Wahl ziemlich baden ging. Und was hat der Stern jetzt aufgedeckt?

Aber so unabhängig und überparteilich waren die Enthüller offenbar nicht. Der Stern deckt in seiner neuen Ausgabe auf, wie die mutmaßlichen Hintermänner des Blogs von dem Wahlsieg der SPD profitierten. Sie erhielten Aufträge der Landesregierung in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro.

Das wäre natürlich ein starkes Stück, wären da nicht die unscheinbaren Wörtchen „offenbar“ und „mutmaßlich“ – Journalistensprech für „Wir kennen da ein Gerücht, können es aber nicht beweisen“.

Die eigentliche Geschichte ist schnell erzählt: Für Wir in NRW schrieben und schreiben damals mehrere Autoren unter Pseudonym, weil sie negative Folgen fürchteten. Eine gewisse SPD-Nähe wurde dabei immer gemutmaßt. Der Stern geht jetzt noch weiter und behauptet, die Autoren seien gekauft gewesen. Oder, genauer gesagt: Nachdem die SPD dann an die Macht gekommen war, bekam einer der mutmaßlichen Autoren, der ehemalige Focus-Landeskorrespondent Karl-Heinz Steinkühler, einige PR-Aufträge. Dass es die Aufträge gab, ist gesicherte Erkenntnis und von der Landesregierung auch bestätigt.

Das ist aber auch alles, was an der Geschichte bestätigt ist. Weder hat der Stern bewiesen, dass Steinkühler für den Blog geschrieben hat (auch wenn das hochwahrscheinlich ist), noch kann er belegen, dass bei den Ausschreibungen irgend etwas unkoscher war. Trozdem haben die Hamburger, die so gerne wieder einmal ein ernstzunehmendes Nachrichtenmagazin wären, das ganze auf mehreren Seiten ausgebreitet. Höhepunkt der Lächerlichkeit Beweisführung: Der Steinkühler hatte einen Geschäftspartner, der auch für Wir in NRW geschrieben haben soll. Und der hat einen Hund, der Trixi heißt. Und bei Wir in NRW gab es mal einen Rüttgers-kritischen Artikel, der mit einem Facebook-Profil verziert war. Darauf war die Nutzer-Mailadresse zu sehen und die lautete – Achtung! – trixi@gmx.tm. Ich könnte jetzt erwähnen, dass ich eine Trixi kenne, deren Adresse trixi@gmx.de lautet, aber auch so sprechen die Argumente in ihrer ganzen Stringenz für sich.

Richtig lustig wird es aber erst im Anschluss, als man sehen konnte, wer so alles mit wem offensichtlich noch das eine oder andere Hühnchen zu rupfen hat. Die Ruhrbarone etwa brachten die komplette Vorabmeldung des Stern und setzten noch eine schön vorverurteilende Überschrift drüber: Wir in NRW: So verdient man Geld mit Blogs. Nun ja.

Andere drehen noch ein Stückchen weiter an der Eskalationsschraube: Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch andere Medien an dem Thema recherchiert haben, unter anderem der Spiegel und die WAZ. Beide haben es aber nicht gebracht. Schnell kommt ein Gerücht auf, dass von einigen CDU-Wahlkämpfern nur allzu gerne weitergetratscht wird. So schreibt ein Geschäftsführer eines CDU-Kreisverbands in einer internen E-Mail an die Mandats- und Funktionsträger seiner Partei:

Die WAZ beispielsweise hat auf die Veröffentlichung nach einem Anruf von Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beim Chefredakteur Ulrich Reitz verzichtet.

Ja klar. Hannelore Kraft macht den Wulff, bestellt die Berichterstattung ab und nicht nur Herr Reitz, sondern sämtliche leitende WAZ-Redakteure liegen ihr zu Füßen. Aus lauter Liebe zu Hannelore Kraft verzichtet die WAZ darauf, einen Blog in die Pfanne zu hauen, der sie immer wieder scharf angegriffen hat. Man könnte kurz nachdenken, das für vollkommen albern halten, auf die Idee kommen, dass die WAZ und der Spiegel die Geschichte einfach für etwas dünn hielten und dann die Füße stillhalten.

Oder aber man verbreitet das alles munter per Facebook, Twitter und per Mail. Besonders hervorheben möchte ich aus meiner Timeline Sven Volmering, Henrik Bröckelmann, Thomas Jarzombek sowie die gesamte Junge Union samt aller Untergruppen. Da schwirrten Worte wie Kraftgate durch die Gegend und es wurde als Fakt dargestellt, dass die SPD Blogger kauft und in Zeitungsredaktionen hineinregiert. Neue Fakten störten dabei bestenfalls am Rande.

So twitterte Thomas Jarzombek gestern Nachmittag noch:

Wie würden Sie es denn kommentieren, wenn nur noch meine MA twitterten, die CDU Blogger kaufen und Journalisten mundtot machte?

Ganz einfach: als eindeutig falsch, was die Stelle mit dem mundtot machen angeht. Und als unbewiesen, was die gekauften Blogger angeht. Sein Parteifreund Marco Wirtz, der die Mail ebenfalls weiterverbreitet hatte, hatte längst auf Druck der WAZ-Rechtsabteilung widerrufen, wie widerum die Ruhrbarone dokumentieren. Meine Lieblingsstelle:

Ich stelle allerdings ausdrücklich fest, dass ich persönlich diese Behauptung nicht aufgestellt habe, sondern nur eine Mail weitergeleitet habe, in der diese Behauptung aufgestellt wurde.

Willkommen in meiner Welt, kann ich da nur sagen. Man ist eben auch für das verantwortlich, was man weitertratscht, jeder Journalist kennt das als Verbreiterhaftung.

Gegen die Stern-Berichterstattung hat die Landesregierung eine einstweilige Verfügung erwirkt, hier darf man zumindest gespannt sein, wie das Verfahren ausgeht. Diese Mail hat übrigens niemand aus meiner Timeline weiterverbreitet. Stattdessen wurde mit Macht versucht, einen Skandal herbeizutwittern. Allein: Es juckte niemanden. Der sogenannte Skandal interessierte außerhalb der Parteien kaum jemanden. Und über Auswirkungen auf die Wahlergebnisse muss ja nun wirklich nicht gesprochen werden.

Offenlegung: Ich bin freier Mitarbeiter bei DerWesten, dem Onlineportal der WAZ-Mediengruppe. Ich fände die ganze Begebenheit aber auch albern, wenn es nicht so wäre.

P.S.: Eine schöne Zusammenfassung der ganzen Geschichte bietet das Handelsblatt hier.


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