Es ist ja nicht so, dass Fußballfans im Allgemeinen und die Ultras im Speziellen derzeit über allzu gute Presse klagen könnten. Vor allem die Polizei und die deutschen Innenminister klagen derzeit lautstark über immer aufwändigere Polizeieinsätze, angeblich steigende Gewalt in und um Fußballstadien, zunehmende Straftaten und mehr Verletzte – beispielsweise in der aktuellen Studie der ZIS. Politik und Polizei erhöhen seit einiger Zeit massiv den Druck auf DFB, DFL und Vereine, doch endlich schärfere Maßnahmen gegen Gewalttäter unter ihren Fans zu ergreifen – auch und vor allem gegen Zuschauer, die Pyrotechnik abbrennen.
Wer sich seriös mit den Verlautbarungen, Argumenten und Statistiken von Polizei und Innenministern auseinandersetzt, wird eine ganze Menge Schwachstellen erkennen – nachzulesen beispielsweise hier. Und die (organisierten) Fußballfans wären gut beraten, auf diese Schwachstellen hinzuweisen und sich mit diesen argumentativ auseinanderzusetzen, was die offiziellen Vertreter auch tun. Denn sie haben viele gute Argumente auf ihrer Seite, mit denen sie auch mehr und mehr in den Medien und der Öffentlichkeit durchdringen. Vieles, was Polizei oder Verbände fordern oder vorhaben – beispielsweise die Ganzkörperkontrollen vor dem Stadion – sind nämlich ausgemachter Schwachsinn und tragen nur dazu bei, Fronten zu verhärten anstatt Probleme zu lösen. Und wer sich mit den sogenannten Studien der ZIS (also der Polizei) auseinandersetzt, wird viele methodische Schwächen finden.
An diesem Wochenende aber haben einige der Ultras sich selbst und den Fanvertretern ziemlich in den Fuß geschossen. Erst zündelten HSV-Ultras in Düsseldorf und entfachten dabei ein Transparent, einen Tag später tat es ihnen wohl die Schalker Ultra-Gruppierung „Hugos“ nach und setzten dabei auch noch die Abdeckung zu einem Ausgang in Brand. Ganz abgesehen davon, was man von Pyrotechnik halten mag – und zu meiner Meinung komme ich noch -, aber die Aktionen in Düsseldorf und auf Schalke waren an Dämlichkeit kaum zu überbieten. Indem man mitten hinein in die aktuelle Sicherheitsdebatte solche Bilder liefert, reißt man mit dem Arsch alle vernünftigen Argumente ein, die man hat oder haben könnte und liefert stattdessen Wasser auf die Mühlen aller Kritiker. Wer gegen schärfere Sicherheitsmaßnahmen oder stärkere Repressionen der Polizei ist, wird nun immer gegen diese Bilder anargumentieren müssen, die zeigen, wie es im Düsseldorfer bzw. Gelsenkirchener Stadion brennt.
„Wir sind Schalker, und ihr nicht“
Bemerkenswert war allerdings, wie der Rest der Schalker Zuschauer reagierte: mit Pfiffen und mit Gesängen, „Wir sind Schalker und ihr nicht“ und „Ihr seid scheiße wie der BVB“ tönte durchs Stadion. Eine gute und richtige Reaktion, die aber wiederum von diversen Ultras und anderen Schalke-Fans heftig kritisiert wird. Zusammengefasst lautet diese Kritik etwa so: Diese Sesselfurzer auf den Sitzplätzen sind doch eh keine echten Fans (hier wahlweise gerne auch Mode- oder Eventfans einsetzen), pfeifen sogar eigene Spieler aus und ohne uns gäbe es gar keine Stimmung und die Fußballkultur wäre am Boden.
Pfiffe gegen eigene Spieler habe ich auch schon kritisiert, aber der Rest ist ausgemachter Blödsinn. Eigentlich ist mir die Ultra-Bewegung nicht unsympathisch, ihre großkotzige Attitüde ist es aber schon. Die Ultras sehen sich als einzig wahren Fans und Bewahrer Fußballkultur, die einzig und allein für Stimmung sorgen. Was für ein Schwachsinn.
Die Ultras verhalten sich vereinsschädigend
Denn das, was die Ultras in Sachen Pyrotechnik treiben, ist in erster Linie vereinsschädigend. Für das Abbrennen von Bengalos gibt es mindestens Geldstrafen für den eigenen Verein, im Extremfall kann es zu Spielabbrüchen und Punktabzügen kommen – Dynamo Dresden wäre wegen des Verhaltens seiner Anhänger beim DFB-Pokalspiel in Dortmund fast aus dem Pokal ausgeschlossen worden.
Wer also im Stadion Bengalos abbrennt, schert sich in dem Moment einen Dreck um seinen Verein. Und was hat das dann bitte mit Fansein zu tun? Und jetzt komme mir bitte keiner damit, dass das doch bloß Emotionen visualisiert. Wer seine Emotionen nicht ohne Fackel in der Hand ausdrücken kann, hat ein ernsthaftes Problem.
Außerdem sind die Dinger nunmal wahnsinnig gefährlich. In Düsseldorf und auf Schalke sind Dinge in Brand geraten (auf Schalke sogar eine Abdeckung des Tribünenausgangs) und außerdem ist es generell nicht ganz ohne, in einer hüpfenden Menschenmenge mit 2000 Grad heißen Teilen zu hantieren.
Monotones Dauergesinge
Außerdem: Was die Ultras stimmungsmäßig machen, ist für mich noch lange nicht das Nonplusultra. Dieses Dauergesinge, vorgegeben durch einen Capo, finde ich an vielen Tagen eher monoton und langweilig. Spielbezogene Unterstützung bleibt auf der Strecke, man hat eher ein ständiges Grundrauschen.
Beim FC St. Pauli gab es in der vergangenen Saison mal einen Boykott eines Spiels durch den harten Kern der Ultra-Szene – und die Stimmung war nicht am Boden, sondern – glaubt man den Anwesenden – spielbezogen, kreativ und begeisternd wie lange nicht.
Und zuletzt: Die Ultras sind doch selbst fast noch eine Modeerscheinung. Erst seit den Neunzigern gibt es die Ultras in Deutschland und erst in diesem Jahrtausend haben sie nach und nach die Vorherrschaft in den Kurven übernommen. Liebe Ultras, ich war schon in Stadien, als es euch noch gar nicht gab (oder man euch zumindest nicht wahrgenommen hat) und kann euch sagen: Stimmung gab es schon vor euch – und Stimmung würde es auch nach euch geben.
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