Stevens‘ Rauswurf: Schade, aber überfällig

Huub Stevens
Huub Stevens, nun zum zweiten mal Ex-Schalke-Trainer. Foto: Produnis (CC BY-SA 3.0)

Ein paar Bemerkungen vorweg:

1.) Ich finde es immer sehr schwierig, die Arbeit von Trainern zu bewerten. Als Außenstehender hat man einfach zu wenig Einblick in die tägliche Arbeit. Klar, einige Trainingseinheiten sind öffentlich, aber was wirklich vorgeht im Innenleben einer Mannschaft, zwischen Trainer, Co-Trainer und den Spielern, wer wann wo wie was vorgibt und was davon umgesetzt wird und was eben nicht – all dies erfährt man in der Regel nicht. Und das macht es schwer, die Arbeit eines Trainers zu bewerten – jenseits der nackten Ergebnisse, die eine Mannschaft einfährt. Wenn es sportlich nicht läuft, ist der Trainer die ärmste Sau – siehe das Beispiel Mike Büskens, der in Fürth teils recht ansehnlichen Fußball spielen lässt (zumindest ist eine klare taktische und spielerische Idee vorhanden), dessen Spieler aber ums Verrecken das Tor nicht treffen.

2.) Von Trainerentlassungen halte ich meist nicht viel. Allein die Statistik besagt, dass dies meist nur einen kurzfristigen Aufschwung bringt – wenn überhaupt – und die Ergebnisse eines neuen Trainers keinen Deut besser sind als die seines Vorgängers. Allein deswegen hätte ich mir schon gewünscht, dass Huub Stevens bis zum Saisonende Schalker Trainer bleiben kann, man dann zufrieden auseinandergeht und einen Trainer von dem Schlage hervorzaubert, wie wir ihn mit Rangnick schonmal hatten – einen sogenannten modernen Trainer mit schlüssigem taktischen Konzept und einer klaren Spielidee.

Und trotz dieser Vorbemerkungen: Die Entlassung von Huub Stevens als Schalker Trainer halte ich für richtig. Die statistischen Argumente (acht Spiele, fünf Punkte) sind mir dabei weniger wichtig, das kann auch teilweise mit Glück und Pech zu tun haben. Wer aber die Mannschaft in den letzten Spielen hat spielen sehen, der wäre spontan nicht auf die Idee gekommen, dass da fast nur Nationalspieler auf dem Platz stehen.

In der laufenden Saison hatte man fast nie das Gefühl, dass diese Mannschaft (vor allem offensiv) mehr ist als die Summe ihrer Teile, wie das beispielsweise bei Freiburg oder Mainz der Fall ist. Zwar war man in der Anfangsphase vielen Gegnern überlegen, aber man gewann oft einfach dadurch, dass man die besseren Einzelspieler auf dem Platz hatte, die durch gelungene Einzelaktion den Sieg herbeiführten – selten durch überzeugende taktische Leistung, von Offensiv- bzw. Gegenpressing gar nicht zu reden. Eine offensive Handschrift war zu selten erkennbar, es fehlte ein taktisches Gerüst. Selbst der grandiose Derbysieg gegen den BVB war zu großen Teilen darauf zurückzuführen, dass Jürgen Klopp dieses Spiel spekakulär vercoachte (Dreierkette, wir erinnern uns). Als nun einzelne dieser Spieler Schwächephasen zeigten (Huntelaar, Holtby, Neustädter…) oder sich verletzten, gab es kein stabiles Gerüst, dass die einzelnen Spieler und die Mannschaft auffängt und Sicherheit verleiht, in dem ein Leistungsträger zwar nicht 1:1 zu ersetzen ist ist, das aber weniger abhängig vom Einzelnen macht.

Offenbarungseid gegen Freiburg

Die Leistung gegen Freiburg war (abgesehen von den Defensivpatzern) vor allem ein taktischer Offenbarungseid. Als man 1:3 zurücklag, wurde der Gegner nicht etwa aggressiv attackiert. Nein, Schalke erwartete Freiburg zehn Meter hinter der Mittellinie und schaffte es trotzdem nicht, die Räume eng zu machen. Hin und wieder rafften sich die Gegenspieler zum Offensivpressing auf, doch dann rückten Mittelfeld und Abwehr nicht nach und die Abstände wurden riesig – nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Taktisch war vieles einfach unbedarft bis altmodisch.

Auch an Stevens‘ kommunikativen Fähigkeiten müssen Zweifel erlaubt sein. In vielen Foren und Kommentarspalten liest man in den vergangenen Tage, die Journalisten hätten Stevens abgeschossen, weil er immer so unfreundlich zu ihnen sei. Wer das glaubt, hält Journalisten für ziemlich einfältige Geschöpfe. Dass er auf Pressekonferenzen ständig herumraunzt – geschenkt, auch wenn ich das für ziemlich unprofessionell halte. Ich glaube aber nicht, dass Stevens intern ein ganz anderes Gesicht hat (eine Legende die lustigerweise von denen verbreitet wird, die Stevens gleichzeitig für seine Authentizität loben).

Verdienste der Vergangenheit reichen nicht

Wer glaubt, dass Stevens gegenüber seinen Spielern der einfühlsame Kommunikator ist, der man eben sein muss, um ein komplexes Gebilde wie einen Profikader zu führen, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Und jetzt komme mir bitte keiner mit diesem “Das sind Profis, die bekommen viel Geld und müssen es abkönnen, wenn sie mal etwas härter angefasst werden.” Teamführung funktioniert nunmal anders, was jeder weiß, der irgendwo in irgendeinem Team arbeitet. Wenn der Chef schnell die Laune verliert, ständig gereizt ist und Defizite in der Kommunikation hat, leidet die Performance des Teams – das wird auch dadurch nicht außer Kraft gesetzt, dass die Mitarbeiter mehr Geld verdienen.

Mit Stevens muss nun derjenige gehen, den die Mitglieder einst zum „Jahrhundertrainer“ wählten, was viele allein schon deswegen für falsch halten. Diesen Leuten sei gesagt: Dass Stevens seine Verdienste hat, ist unbestritten. Aber in der Jahrhundertelf standen auch Olaf Thon, Marc Wilmots und Klaus Fischer – und die will doch heute auch keiner mehr auf dem Platz sehen.


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