Die Frage ist schon seltsam, die Antwort erst recht:
Wenn man ihre Werbepartner adidas, Coca-Cola, Allianz und Sony sieht, sind sie schon ein Topstar. Wofür möchten Sie als Werbepartner stehen?
Manuel Neuer: Ich wähle Partner, hinter denen ich auch stehe. Es muss zu mir passen. Allianz zum Beispiel steht für Rückhalt, wie ich als Torwart auch. Coke zero steht für das Zu-null, das ich immer schaffen will; Sony für die Schärfe des Bildes, die ich auch benötige. Außerdem sollten solche Partnerschaften langfristig laufen.
Häh?!? Abgesehen davon, dass mich die Erklärung zu Nutella jetzt wirklich interessiert hätte: Der Kicker, der damals die Berichterstattung zu Thomas Hitzlsperbergers Homosexualität – mit der Begründung „Das Privatleben der Spieler interessiert uns nicht“ – verweigerte, fragt nach Neuers Werbepartnern?
Für solche Fragen gibt es zwei mögliche Gründe und beide sind nicht schön. Entweder, der Journalist fragt wirklich aus eigenem Antrieb. Dann hat er seinen Job verfehlt. Oder er hat das Interview nur unter der Bedingung bekommen, dass die Werbepartner genannt werden. Dann hat er seinen Job allerdings ebenfalls verfehlt.
Viele unmoralische Angebote
Solche Bedingungen für Interviews sind gar nicht mal so selten, als Journalist bekommt man immer mal wieder zweifelhafte Angebote ins Postfach. Beispielsweise stellt ein bekannter Schuhhersteller sein neuestes Modell vor und lädt zur Präsentation mit einem prominenten Spieler. Der darf auch interviewt werden – wenn die Marke genannt wird. Ein unmoralisches Angebot – aber eines, auf das Redaktionen immer häufiger eingehen.
Denn es wird als Journalist hat man immer weniger Gelegenheit, sich mal in Ruhe mit einem Fußballer zu unterhalten. Die Mixed Zones nach den Spielen sind inzwischen – auch durch das Aufkommen neuer Online-Medien – gerade bei größeren Vereinen nach den Spielen derart voll, dass Nahkampferfahrung von Vorteil sein kann, will man nah genug herankommen, um die Aussagen der Spieler verstehen (Von jener seltsamen Mischform aus Journalist und Fan, die in der Mixed Zone dann auch noch auf Autogramm- und Selfie-Jagd geht, will ich gar nicht erst anfagen).
Der Kontakt zu den Spielern wird verknappt
Die Vereine reagieren auf das gestiegene Medienaufkommen und den größeren Andrang, indem sie den Kontakt zwischen Medien und Spielern mehr und mehr reglementieren, seltener Interviews gewähren – auch weil sie zumindest meinen, die klassischen Medien nicht mehr unbedingt zu brauchen: Große Vereine erreichen über ihre Online-Plattformen und soziale Medien längst mehr Menschen als die meisten Zeitungen oder Radiosender. Und ein wenig wortgewandter Kicker lässt lieber seine Agentur einige belanglose Sätze an seine in die Millionen gehende Followerschar richten, als sich in die ungewisse Situation eines Interviews zu begeben.
Und so wächst die Versuchung, auf zweifelhafte Angebote von Sponsoren einzugehen: für kleinere Online-Medien, die dann eben Ilkay Gündogan nach seinem neuesten Fußballschuh fragen (müssen). Für Modezeitschriften, die den damaligen BVB-Trainer Jürgen Klopp nicht nur von der Automarke erzählen lassen, mit der er geschäftlich verbandelt ist – selbstverständlich, ohne dies zu erwähnen -, sondern den Text auch noch mit den Bildern vom Werbeshooting schmücken. Auch eine renommierte Redaktion wie die Welt ist sich nicht zu schade, den Bundestrainer gleich zum Gesprächseinstieg nach seiner Hautcreme zu fragen. Und der hochangesehene Guardian versah sein Interview mit Klopp mit einem Hinweis auf dessen Sponsor.
In Zukunft nur noch Sponsoren-Interviews?
Was heißt das für die Journalisten? Müssen sie derartige Angebote in Zukunft annehmen, um überhaupt noch Gespräche mit Spielern führen zu können? Ich denke nicht. Denn – auch wenn das nicht alle so zu sehen scheinen – auch die Vereine brauchen die klassischen Medien nach wie vor als Multiplikatoren. Jeder mündige Leser weiß Inhalte, die ihn über unabhängige, kritische Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunksender oder Online-Portale erreichen, ganz anders wertzuschätzen als die manchmal arg jubelperserischen Beiträge der Vereinsmedien.
Dieses Kapital dürfen die Redaktionen aber nicht leichtfertig aus der Hand geben, indem sie unmoralische Angebote und Bedingungen für Interviews widerstandslos akzeptieren. Journalisten, die etwas auf sich halten, sollten solche Angebote ablehnen – eben, damit sie nicht zur Regel werden.
Der Kicker-Chef sieht keinen Fehler
Der Kicker-Chefredakteur Jörg Jakob und Manuel Neuers Medienberater beteuern, dass es keine derartige Absprache gab. Jakob findet die Frage nach den Werbepartnern nach wie vor vollkommen legitim. „Soweit mir bekannt ist, gibt es Sportler, die sich mehr Gedanken machen über ihre Werbepartner als andere. Es muss erlaubt sein, auch solche Aspekte anzusprechen“, wird er im Tagesspiegel zitiert.
Natürlich darf man das – aber dann bitte auch kritisch nachhaken und Neuer nicht bloß eine Plattform für diesen seltsamen Werbesermon bieten. Denn damit hat das Fachmagazin allen Journalisten, die sich gegen derartige Auswüchse wehren, einen Bärendienst erwiesen.
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