Nichts als Kummer? Guttenberg in Fußnöten

Karl-Theodor zu Guttenberg
Hat er kopiert oder hat er nicht? (Bild: Strassengalerie unter CC-Lizenz)

„Sollte sich jemand […] durch unkorrektes Setzen und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten bei insgesamt 1300 Fußnoten und 475 Seiten verletzt fühlen, so tut mir das aufrichtig leid.“

Selten wohl hat sich jemand so ungeschickt entschuldigt wie am Freitag der Herr Baron. Da wären:

  • die Formulierung: KTzG formulierte seine Entschuldigung derart verquast, dass vor lauter Verklausulierung an richtiger Entschuldigung am Ende gar nichts mehr übrig blieb.
  • das Timing: Seine Durchlaucht sprach ausgerechnet in dem Moment – und das auch nur zu ausgewählten Pressevertretern -, als sich in der Bundespressekonferenz die Hauptstadtjournalisten versammelten, die natürlich eine Menge Fragen zu dem Thema hatten und auf eine Stellungnahme des Ministeriumssprechers hofften. Die Journalisten wurden ebenso kalt erwischt wie Steffen Seibert, der die Aktion dann aber dennoch verteidigen musste – obwohl man ihm anmerken konnte, was er von der Aktion hielt. Das Video von der Veranstaltung wird von mir wärmstens empfohlen. Ob es in dieser Lage so schlau ist, die Journalisten gegen sich aufzubringen, lasse ich mal dahingestellt.

Und dann wäre da natürlich der Inhalt der sogenannten Entschuldigung. Guttenberg stellt die Sache so dar, dass er lediglich im Eifer des Gefechts ein paar Fußnoten vergessen habe und hier und da einfach vergessen habe, auf ein Zitat hinzuweisen. Das klingt nach ein paar lässlichen Sünden. Eine andere Sprache spricht da aber diese Grafik:

Plagiats-Grafik

Sie stammt vom Guttenplag-Wiki, wo Internet-User eifrig Stellen sammeln, die abgeschrieben sein sollen und nach eigenen Angaben bereits 267 Seiten gefunden haben. Das ist dann schon keine lässliche Sünde mehr. Sollte jemand tatsächlich in so großer Masse fremde Gedanken geklaut haben, fällt es schwer, nur an Schlampigkeit zu glauben. Zumal wörtliche Zitate – und um solche geht es ja größtenteils – auf mehrfache Weise gekennzeichnet werden:

  • durch Anführungszeichen
  • längere Zitate zusätzlich durch Einrücken und gegebenenfalls noch zusätzlich durch kursive Schrift
  • durch Quellenangabe entweder in Fußnoten (altmodisch) oder in Klammen hinter dem Zitat (inzwischen die am weitesten verbreitete Methode)
  • und nicht zuletzt werden derlei Zitate eingeleitet, beispielsweise so: Schon Weßling stellt fest: „Blablabla“ (Weßling 2010).

All das müsste Guttenberg also verschlampt haben, was schwer vorstellbar ist. Als ich außerdem meine Diplomarbeit schrieb, konnte ich immer gut unterscheiden, welcher Text von mir geschrieben ist und welcher übernommen ist. Ich kenne ja meinen Stil und weiß auch nach längerer Zeit noch, welche Gedanken meine eigenen waren und welche ich mir geborgt habe. Ganz besonders gilt das natürlich für Einleitung und Fazit, die ja in der Regel ganz zum Schluss geschrieben werden. Gerade hier sind Zitate absolut unüblich, da es hier ganz besonders auf eigene Gedanken und Schlussfolgerungen ankommt; dies sind die persönlichsten Stellen einer Dissertation. Aber auch hierfür soll sich der Baron bedient haben, sein Fazit ist wohl teilweise aus der Hausarbeit eines Studienanfängers geklaut. Offensichtlich kommt man damit an der Uni Bayreuth zum „Summa cum Laude“. Meiner Meinung nach wird immer klarer, dass die Dissertation in wesentlichen Teilen geklaut ist und der Doktortitel weggenommen gehört.

Aber ist das wirklich so wichtig? Ich denke schon. Ein Politiker, der sich als Gegenentwurf zu allen anderen präsentiert, als Ausbund an Ehrlichkeit, Authentizität und Glaubwürdigkeit, der muss sich daran messen lassen. Wer Mitarbeiter schon beim Verdacht auf Verfehlungen über die Klinge springen lässt, wie etwa den Kapitän der Gorch Fock oder hochrangige Mitarbeiter, der muss diese hohen Maßstäbe auch an sich selbst anlegen. Guttenberg wird aus der Affäre definitiv beschädigt hervorgehen.

Zunächst einmal wird er sich vor Häme kaum retten können, man siehe zum Beispiel den Spiegel-Titel der nächsten Woche. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich einige Hauptstadt-Journalisten derzeit die Hände reiben, denn mit dem Baron gab es noch eine offene Rechnung: Als er seinerzeit frisch im Amt war und die Kundus-Affäre am Hals hatte, stellte er sich ja forsch in den Wind und bezeichnete das Vorgehen erst als militärisch angemessen, um wenig später umzuschwenken. Als Grund für den Umschwung verkaufte er einen Feldjägerbericht, den er angeblich zu spät bekommen habe; als Sündenböcke wurden der Generalinspekteur und der Staatssekretär ausgemacht und entlassen, weil sie ihm den Bericht auch auf Nachfrage vorenthalten hätten.

„Guttenberg fragt Schneiderhan und Wichert noch einmal. Als beide wieder leugnen, entlässt er sie. So berichtet es sein Umfeld.“

Das schrieb damals ein großes deutsches Nachrichten-Magazin. Der Informant soll Guttenberg selbst gewesen sein und nach und nach wurde den Journalisten klar, dass Guttenberg es wohl auch damals mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Nun ist man es gewohnt, dass Politiker in offiziellen Statements und Erklärungen und Interviews nicht immer die volle Wahrheit sagen. Passiert das aber in vertraulichen Hintergrundgesprächen, können Journalisten sehr nachtragend sein. Auch das macht die Situation für Guttenberg nicht einfacher.

Richtig dicke könnte es für den Verteidigungsminister in eigener Sache aber kommen, wenn sich ein neuer Vorwurf bestätigt: dass Guttenberg den wissenschaftlichen Dienst des Bundestags für seine Arbeit eingesetzt hat. Sollte das stimmen, wäre das Amtsmissbrauch. Und dann wäre Guttenberg nicht nur seinen Doktortitel los, sondern auch seine politische Karriere.


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